Die digitale Transformation des ÖPNV im Spannungsfeld von Politik und Start ups
Der Klimawandel erfordert und die digitale Transformation ermöglicht die Wende in der Mobilität, hin zu mehr öffentlichem Verkehr mit immer individuelleren und kundenorientierten Angeboten. Auf diesem Weg sind neue Ideen und agile Start-ups hilfreich, um den Wandel bei den Verkehrsunternehmen und –verbünden zu beschleunigen. Aber auch die Rahmenbedingungen durch die öffentliche Hand müssen stimmen und den ÖPNV auch als Rückgrat der klimafreundlichen Mobilität zu stärken.
Start-ups sind für die Politik sehr attraktiv, da sie ein Narrativ stützen, dass mit zukunftsorientieren Ideen und Technologien, heutige Probleme ohne die Notwendigkeit von öffentlichen Mitteln und unpopulären Einschränkungen lösen könnten. Hier wird der Einsatz der Gründer, das Verbrennen von Risikokapital und das Scheitern einer Vielzahl von Ideen einfach hingenommen.
Der öffentliche Verkehr dagegen bietet ein dauerhaftes, nachhaltiges Angebot: Daseinsvorsorge, Erreichbarkeit, soziale Teilhabe, Entlastung der Straßen vom motorisierten Individualverkehr (mIV), Entlastung der Bürger und der Umwelt von Lärm, Schadstoffen und Flächenverbrauch sowie wichtige Beiträge zum Klimaschutz in Rahmenbedingungen, die Zuschüsse der öffentlichen Hand erfordern und nur wenige freie Ressourcen für Innovation und digitale Transformation bieten.
Die Verkehrsunternehmen stehen aber bereit für die Verkehrswende und für das Erreichen der Klimaziele, dies erfordert aber massive Investitionen in und Förderung des ÖPNV und zusätzlich Push-Maßnahmen zur Förderung des Umstiegs. Durch die digitale Transformation des öffentlichen Verkehrs können hier Potentiale der Effizienz und der Kundenfreundlichkeit gehoben werden.
Mit der Vernetzung mit den Kunden wird eine Individualisierung der Dienstleistung erreicht: Es ist möglich von jedem Kunden (mit seiner Erlaubnis) seinen Namen und Adresse, seine Wege und Ziele, sein Nutzerprofil und seine Kundenkontakte zu kennen, ihm individuelle Angebote zu machen und ihn während seiner Reise automatisch individuell zu betreuen. Die PBefG-Novelle ermöglicht dauerhaftes ÖV-integriertes Ridepooling. Die Chance des Linienbedarfsverkehrs ist zu nutzen, um gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land herzustellen und ein Leben ohne eigenes Auto zu ermöglichen.
Die Basis dafür sind ÖPNV-eigene multimodale Mobilitätsplattformen, die alle Angebote integrieren. Dies selbst in der Hand zu haben ist für die ÖPNV-Branche entscheidend, denn sonst wäre durch intermediäre Drittplattformen der direkte Zugang zu den Kunden gefährdet. Hier muss der Politik – auch gegenüber Start ups und privaten Anbietern von Mobility as as Service Apps – deutlich gemacht werden, dass der Zwang zur Öffnung des Vertriebs die Kosten erhöhen und den Service verschlechtern würde. Am Ende würden nur Hyperscaler wie Google profitieren und der ÖPNV müsste dringend erforderliche Marktdaten von Monopolisten einkaufen, mit Mitteln die er gar nicht hat.
Die Daten sollten deshalb bei den ÖPNV Unternehmen verbleiben, die sich selbst zu einem „data-driven-business“ weiterentwickeln sollten. Es stecken viele Wertpotenziale in den Daten, für effizientere Produktion und neuen Dienstleistungen für die Kunden. Deshalb darf es auch kein verpflichtendes open data für Verkehrsunternehmen geben, sondern es sollte Daten-Souveränität für alle Beteiligten gelten und differenzierter Umgang mit Partnern und Wettbewerbern.
Ein Kristallisationspunkt der digitalen Transformation im der Mobilität ist das autonome Fahren. Auch hier wird aus vielen Überlegungen heraus deutlich, dass nur ein ÖV-integrierter Ansatz für die Lösung unserer Klima- und Verkehrsprobleme sinnvoll sein kann. Robo-Taxis oder autonome Privat-Pkw würden zu mehr Verkehr und Energieverbrauch führen. Geteilte ÖV-Shuttles, die den Hochleistungs-ÖPNV ergänzen, sparen dagegen massiv Ressourcen ein, ohne die Mobilität der Menschen zu verringern. Durch die nachfrageorientierte Buchung von ÖV-Shuttle-Flotten erfolgt eine individuelle und öffentliche Mobilität aus einem Guss – geteilt, elektrisch und autonom.
Um diese Zukunft zu erreichen, arbeiten die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs gerne mit Start-ups zusammen. Gerade beim Autonomen Fahren, beim Sharing und bei der Elektrifizierung sind neue Ideen erforderlich. Doch sollten die Rahmenbedingen so gestaltet werden, dass die Steuerungsfähigkeit des Verkehrs bei den Kommunen und die Schnittstelle zu den Kunden bei ihren Verkehrsunternehmen verbleibt.
Keynote am 06.07.2021, Future Mobility Award Pitches
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