Projekt gegen Transportverkehr

Dickes Brett: Ziel in Ettlingen bleibt ein Paketdienstleister für alle in der Altstadt

Verkehrsstau in der Fußgängerzone? Den gibt es in engen Innenstädten wie der Ettlinger Altstadt durch den wachsenden Lieferverkehr. Ettlingen will nun einen Paketlieferanten für alle etablieren. Man setzt auf Gespräche, erwägt aber auch Druckmittel.

„Ettlingen bringt’s.“ Hinter diesem doppeldeutigen Motto verbirgt sich ein organisatorischer Kraftakt mit offenem Ausgang. Ein Paketdienstleister für alle soll künftig Sendungen in die Ettlinger Fußgängerzone transportieren. Denn bisher sorgen diverse Lieferanten mit ihren Transportern unter der Woche und am Markttag samstags für Engstellen und raumgreifende Rangiermanöver in bester Lage in der Altstadt. Bis zum Ziel sind so einige Hürden zu nehmen.

2020 begann das Projekt, zum Jahresende 2021 war die Frage, was daraus überhaupt wird. Der Projektzeitraum wurde inzwischen vom fördernden Landeswirtschaftsministerium bis Ende 2022 verlängert, mühselig war das Vorankommen in Lockdown-Zeiten.

Die Projektpartner sind mit Transport Betz aus Malsch, der Hochschule Reutlingen und Logistik-Dienstleister Pakadoo GmbH weiter beisammen, es bleibt bei einer Fördersumme von 250.000 Euro, überschießende Kosten trägt jeder Projektpartner in seinem Bereich.

„Der Micro-Hub im Gewerbegebiet funktioniert.“ Thilo Levy, Spedition Bentz
 
Der sogenannte Micro-Hub in der Ferdinand-Porsche-Straße im Gewerbegebiet funktionierte, so Betz-Geschäftsführer Thilo Levy. Am Micro-Hub, einem Lager von Betz, kommen als Umschlagplatz die Pakete der bei Pakadoo registrierten Kunden an. Ein E-Auto von Betz bringt sie dann zum „Paketschrank für alle“ in der Thiebauthstraße am Rande der Altstadt.

Der Kunde wird elektronisch informiert und kann sein Paket dort abholen. Schon beim Online-Shoppen geben Nutzer zuvor das Micro-Hub als Lieferadresse sowie ihre Identifikationsnummer zum Zuordnen an.

Weitere Kundengruppen werden angepeilt und sind für eine Wirtschaftlichkeit des Systems unabdingbar. „Rathausverwaltung und Stadtwerke beliefern wir aktuell“, so Levy. Gerade größere Arbeitgeber seien attraktiv. Die Menschen sind schließlich einen Großteil des Tages bei der Arbeit. Dort auch Pakete zu bekommen, biete sich an.

Schwierige Verhandlung mit Paketdiensten in Ettlingen

Ein Verhandlungsknoten sitzt bei den Paketdienstleistern von DHL bis Hermes. Die sollen ja die letzte Meile zum Kunden abgeben, um „Ettlingen bringt’s“ ran zu lassen. Gespräche würden geführt, noch hat man „nichts fest in der Hand“. Ob am Ende mit härteren Bandagen, etwa über die Altstadtsatzung agiert wird, bleibt abzuwarten. Einfach dürfte es nicht werden.

Levy ist Realist: „Wenn Sie mich fragen, ob es irgendwann funktioniert, muss ich sagen: Ich weiß es nicht.“ Viele Städte seien am Problem dran, doch ein Ort, wo es komplett und wirtschaftlich läuft sei ihm nicht bekannt. „Irgendwann will Betz irgendwohin natürlich eine Rechnung schicken.“ Die Menschen seien verwöhnt, auch kleinste Päckchen an die Haustür geliefert zu bekommen, Ökobilanz hin oder her.

Am Ende eine Kooperation mit Karlsruhe?

„Es ist ein Feldversuch“, meint Ettlingens Hauptamtsleiter Andreas Kraut. Technisch und organisatorisch laufe es, doch man müsse in die Breite kommen. Ein Einzelhändler-Meeting 2021 habe wenig Resonanz gebracht. Eine weitere Info-Veranstaltung ist geplant.

„Wir wollen das Leben ja nicht schwerer machen.“ Andreas Kraut, Hauptamtsleiter Ettlingen

„Wir wollen das Leben ja nicht schwerer machen, es ist ein Mehrwert da“, blickt er auch auf die Lieferanten der Innenstadthändler. Kraut erhofft sich Offenheit. Am Ende könne eventuell auch „ein größeres Hub mit Karlsruhe“ stehen, wo ebenfalls der Weg Richtung Innenstadt-Verkehrsentlastung eingeschlagen wurde.

Pakadoo-Chef Markus Ziegler jedenfalls sieht Chancen. Eine Blaupause aus einer Stadt mit florierendem Betreibermodell kann er nicht liefern, doch in Reutlingen, wo die Firma ebenfalls das Projekt flankiert, seien schon weitere Schritte erfolgt. Einige Firmen seien bereits im Boot und werden beliefert. „Wenn ihr abholt und einen besseren Preis bietet, ist das sehr interessant“, höre er oft von Händlern.

Schuhhaus wagt den Liefertest

Der Chef der Werbegemeinschaft Ettlingen Christian Rissel (Schuhhaus Rissel) will es testen. „Er stellt einen Lieferanten um“, so Ziegler. Zunächst einen kleineren. Und was ist mit Pizza-Lieferanten, mit Kühllaster-Anlieferung für die Gastronomie?

Das Credo lautet für Ziegler: „Dringende Ware darf einfahren.“ Sinnvoll seien sich anbietende Verästelungen. So bestehe Interesse von Arbeitgebern, dass Mittagessen von heimischen Gastronomen gebündelt geliefert werden könnte.

 

Artikel veröffentlicht in: BNN Badische Neuste Nachrichten / von Rainer Obert / 23. April 2022  13:30 Uhr