Alte Spielregeln gelten nicht mehr – Mitarbeiter beim Wandel zur E-Mobilität mitnehmen – Lithium am Oberrhein als möglicher Game-Changer
Zum dritten Mal trafen sich am 28.10.2022 zahlreiche Akteure um über die Transformation der regionalen Automobilwirtschaft zu diskutieren. Eingeladen hatten die Veranstalter Stadt Bühl, Stadt Rastatt, TechnologieRegion Karlsruhe GmbH und das Netzwerk „automotive engineering network“ (aen). Im mit 70 Teilnehmern gut besuchten Bürgerhaus Bühl ging es darum, wie die Transformation von Verbrenner-Motor zur E-Mobilität mit all seinen gesellschaftlichen Auswirkungen erfolgreich gelingen kann. Rund 30 Prozent aller Beschäftigten im Landkreis Rastatt sind im Automotive Sektor tätig. Davon arbeiten wiederum 4,5 Prozent im Bereich des traditionellen Antriebs, der extrem von der Umstellung betroffen ist. Bereits auf Rang fünf deutschlandweit rangiert der Landkreis Rastatt im Automobilsektor, wie Waldemar Epple (Vorstandsvorsitzender aen) erläuterte. „Unsere Mission ist es, Partner in Forschung, Entwicklung und Produktion zu vernetzen mit dem Ziel neue Technologien zu entwickeln“, so Epple. Denn der Wohlstand der Region hänge unmittelbar damit zusammen, ob die Transformation gelinge. Wenn die Automotive-Branche huste, dann kränkle schnell die gesamte Region. Daher: „Wir müssen uns ändern, Kräfte bündeln und die Chancen erkennen. Wir müssen raus aus unserer Komfortzone“, appellierte der aen-Vorsitzende an das Auditorium. Als Stichworte nannte Epple E-Mobilität, Wasserstoff-basierte Mobilität, Automatisiertes Fahren und neue Geschäftsmodelle (IT-Lösungen).
Zuvor hatte Bühls Oberbürgermeister Hubert Schnurr im Bürgerhaus der Zwetschgenstadt die Teilnehmer begrüßt. Der Gastgeber wünschte spannende Diskussionen und verwies auf ein bedeutungsvolles Projekt in seiner Stadt: die geplante Erweiterung des Kompetenzzentrums für E-Mobilität von Schaeffler in Bühl.
Sofort in der Thematik war Thomas Twork (Standortverantwortlicher Mercedes-Benz Werk Gaggenau). Zwei technologische Veränderungen treibe das Unternehmen an: power to drive sowie intelligence to drive. Die Intention: Alle Neufahrzeuge in Europa, Nordamerika und Japan sollen bis 2039 lokal C02-neutral werden. Man wolle in Sachen „sustainable Transportation“ vorne wegmarschieren und eine Führungsrolle einnehmen. Neben Nachhaltigkeit sei der Fokus zudem auf Autonomen Fahren gelegt. Dies sei prioritär zunächst in Nordamerika mit seinen weiten und übersichtlichen Highways möglich. Für das Autonome Trucking habe Daimler eine klare Roadmap unter anderem mit Intensiven Testen von hochautomatisierten Lkw in den USA. Die Ambition laute hochautomatisierte Lkw in Serienproduktion zu bringen. „Unsere Strategie lautet: Wir bringen zwei Technologien zur Serienreife, die in die C02-neutrale Zukunft führen: Batterie und die Brennstoffzelle“, so Twork.
Auf ihn folgte Dr. Roland Welter (Leiter Projektmanagement E-Mobilität bei Schaeffler in Bühl). Der Automobil- und Industriezulieferer mit 14 Milliarden Umsatz und 83.000 Mitarbeitenden in mehr als 50 Ländern war einst noch stark vom Verbrenner-Motor abhängig. „Aber die Transformation in die Elektromobilität schreitet bei Schaeffler zügig voran“ so Welter. Nicht nur Produkte, sondern auch die Organisation und Herangehensweise an die neuen Geschäftsfelder unterliegen einem starken Wandel. „Wir bieten ein Produktspektrum von Komponenten bis zu kompletten Antriebssystemen für die Elektromobilität für unsere Kunden.“ Dabei achte man auf Flexibilität und Nachhaltigkeit in den neuen Produktionsstätten. Dies belege auch das neue Werk in Szombathely, Ungarn, als erstes reines E-Mobilitätswerk von Schaeffler, wo künftig Komponenten für E-Motoren gefertigt werden. Auf eines verwies Welter zudem: „Die Mitarbeiter für die Transformation zu motivieren und in allen Phasen mitzunehmen ist spannend und herausfordernd zugleich“. Auch die bereits im Bau befindliche Erweiterung des E-Mobilitäts-Campus in Bühl sei ein wichtiger Meilenstein.
Intelligente Lösungen, um die Klimaziele zu erreichen – von elektrifizierten Scootern über automatisierte Fahrzeuge bis hin zur vernetzten Infrastruktur hat sich ITK Engineering im südpfälzischen Rülzheim auf die Fahnen geschrieben. Dr. Roland Barth, Leiter Commercial & Off Highway Vehicles, erinnerte an ein im Rückblick kurioses Zitat von Gottlieb Daimler über vermeintliche Grenzen des Wachstums. Der Automobil-Pionier meinte vor mehr als 100 Jahren, die Nachfrage nach Autos werde weltweit wohl nie die Ein-Millionen-Grenze überschreiten. Der simple Grund: „Der Mangel an verfügbaren Chauffeuren.“ Dass Transformation die Menschen schon immer begleite, veranschaulichte er am Beispiel Musik. Einst konnte man diese nur auf einem Konzert genießen. Eine Innovation jagte die nächste: vom Grammophon über das Tonband oder tragbare Transistor-Radio bis hin zu Downloads und Audio-Streaming-Diensten wie Spotify. Die technologische Evolution führe stets zu neuen Geschäftsfeldern. „Unsere Intention ist es, Intelligenz in Systeme zu bringen und komplexe technologische Herausforderungen zu lösen”, so Barth über die Firmenphilosophie. Zudem: Mitarbeiter weiterzubilden werde immer wichtiger, gerade in Zeiten, in der die Halbwertzeit des Wissens immer kürzer werde, sagte der IT-Spezialist aus der Nähe von Landau.
Claudia Peter (Geschäftsführerin IG Metall Gaggenau) machte in ihrem Impulsreferat deutlich, dass Wohlstand und Wachstum in der Region Mittelbaden sehr wesentlich von der Automobilbranche abhängt. „Wir haben hier bislang sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze in unseren Produktionsstandorten.“ Die Frage sei jedoch, was mache die Transformation mit der Region, wenn die Mobilität elektrifiziert ist. Ihr Auftrag als Gewerkschafterin laute den Beschäftigten unter anderem die Ängste zu nehmen. „Veränderung schafft zunächst Unsicherheit“, so Peter. Man müsse die Beschäftigten jedoch mitnehmen und für die Arbeitsplätze von morgen qualifizieren. „Als Interessensvertretung wollen wir für Veränderung sensibilisieren und für gute Arbeitsplätze streiten“, so ihr Credo. In der anschließenden Talkrunde wurde allgemein konstatiert, dass die Transformation eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. Die Menschen davon zu überzeugen und weiter zu qualifizieren sei elementar, waren sich alle Referenten einig. Von einem „langjährigen Veränderungsprozess“, sprach die Gaggenauer IG-Metall-Chefin. Es gehe auch darum die duale Ausbildung weiter zu entwickeln. Stichwort sei lebenslanges Lernen. „Die Veränderung wird bleiben. Man kann die Menschen nur entzünden, wenn man selbst für die Sache brennt“, betonte Epple. Auch über E-Mobilitäts-Pionier Tesla diskutierte die Runde.
Welter stellte fest, dass der US-Automobilkonzern sich inzwischen mehr für Zulieferer öffne.
„Tesla hat immerhin dazu geführt, dass wir disruptiv über unser Geschäftsmodell nachdenken“, sagte Truck-Chef Twork. Und: „Wir müssen auch bei uns wieder mehr Pioniergeist wecken“, lautete sein Appell. Die Transformation von Wissen sei auf diesem Feld essentiell, so Epple. Das aen-Netzwerk berate Start-Ups und Mittelständler, wie sie mit Förderaufträgen umgehen und leite sie durch den Bürokratie-Dschungel von Land, Bund oder EU. Innovationsberatung sei ein weiteres wichtiges Angebot. Zudem hielt der aen-Chef fest, dass der Oberrhein einen waren „Goldschatz“ beherberge. Das Lithium in 3000 Meter Tiefe könne ein Game-Changer in Sachen Klimaneutralität und E-Mobilität sein, so Epple.
Hubert Schnurr (Oberbürgermeister Stadt Bühl): „Willkommen in einer der schönsten Städte Mittelbadens. Hier entsteht mit dem Kompetenzzentrum für E-Mobilität ein echtes Leuchtturmprojekt. Forschung und Entwicklung sind eminent wichtige Zukunftsthemen.“
Dr. Roland Barth (Leiter Commercial & Off Highway Vehicles, ITK Engineering Rülzheim): „Technische Evolution ist ein Treiber. Sie generiert neue Geschäftsmodelle sowie ein verändertes Nutzerverhalten. Was wir hier zudem brauchen sind, moderne Entwicklungsmethoden und eine ständige Weiterbildung in einer Zeit, in der die Halbwertzeit des Wissens immer kürzer wird.“
Thomas Twork (Standortverantwortlicher Mercedes-Benz Gaggenau): „Unsere Strategie lautet: Wir bringen zwei Technologien zur Serienreife, die in die C02-neutrale Zukunft führen: die Batterie und Brennstoffzelle. Was wir aber zudem brauchen ist ein neuer Pioniergeist.“
Dr. Roland Welter (Leiter Projektmanagement E-Mobilität, Schaeffler Bühl): „Die alten, bisher gekannten Spielregeln sind nicht ohne weiteres in neue Geschäftsfelder zu übertragen. Die Transformation in die Elektromobilität läuft bei Schaeffler trotz vielfältiger Herausforderungen erfolgreich und nach Plan.“
Claudia Peter (Geschäftsführerin IG Metall Gaggenau): „Veränderung schafft zunächst Unsicherheit. Als Interessensvertretung wollen wir die Beschäftigten für Veränderung sensibilisieren und zudem für gute Arbeitsplätze streiten. Wir müssen die Menschen bei der Transformation mitnehmen und entsprechend weiterqualifizieren. Wenn wir nicht gestalterisch aktiv werden, sind die Arbeitsplätze in ernster Gefahr.“
Waldemar Epple (Vorstandsvorsitzender aen): „Unsere Mission ist es, Partner in Forschung, Entwicklung und Produktion zu vernetzen und neue Technologien zu entwickeln. Wir müssen raus aus der Komfortzone, die Kräfte bündeln und die Chancen erkennen.“
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